Geschichte

Anfang dieses Jahrtausends, am 14. Juli 2004, ist Väterchen Timofej aus dem Leben getreten.

Er ist einen besonderen, einzigartigen Lebensweg gegangen und erlebte das volle Gefühlsspektrum, das ein Mensch je vom Schöpfer zur persönlichen Vervollkommnung und geistiger Entwicklung bekommen kann. Sein Leben war erfüllt von Liebe, Glauben, Glück und Unglück, Freude und Trauer, Höhen und Tiefen, Hoffnung und Enttäuschung und wieder voll von Liebe...

110 Lebensjahre - sind gleichzeitig eine Gabe und eine Bürde. Über diesen Weg ist diese Erzählung.

Timofej Prochorow ist am 22. Januar 1894 im Dorf Buchaewskaja, in der Nähe der Stadt Rostow am Don geboren. Von seiner Kindheit an war er sehr neugierig und charakterstark. An langen Winterabenden hat Großmutter die Kinder am warmen Kamin versammelt und erzählte bei Tee und Pirogen Märchen, Legenden und Sagen über die vergangenen Heldentaten, Treue, Verrat und Abenteuer und am Ende, wie immer, über den Sieg vom Guten über das Böse.

Eine solcher Sagen war die über den glorreichen Kosaken Platov. Er war ein Kosakenanführer, der dem gesamten Donaukosakenheer zu großem Ruhm verholfen hatte.

In der Erzählung der Großmutter ging es darum, wie Platov einmal seinen Verfolgern entkommen ist. Er allein wurde von mehreren Reitern verfolgt, und plötzlich, erfüllt vom Geist der Tapferkeit, kehrte er sein Pferd um, und ritt den Verfolgern entgegen. Sie waren von solcher Tat so überrascht, dass Platov schließlich im ungleichen Kampf alle besiegte. Kleiner Timofej hörte die Erzählung zu Ende, trat aus der Runde und sagte: "Keine Heldentat ist es im Kampf einer gegen mehrere zu gewinnen, ich werde alleine gegen die ganze Welt antreten!"

Und in der Tat ist er Jahrzehnte später allein gegen die Welt des Chaos und der Gesetzlosigkeit angetreten.

Die Jahre vergingen. In der Schule zeigte Timofej von Anfang an seine Fähigkeiten. Der Lehrer legte seinem Vater nah, sein Sohn sollte die Schule auf jeden Fall beenden. Aber wie es damals im Dorf üblich war, brauchte der Vater seine Hilfe bei der Arbeit im Haus und auf dem Feld.

Seine Kindheit und Jugend verging zur Zeit des zaristischen Russland. Das Land regierte der letzte russische Monarch aus der Romanow-Familie – Nikolai der Zweite.

Eines Tages war Timofej mit seinem Vater bei einer Parade und sah den Zaren. Er wusste damals noch nicht, dass er später den Zaren dreifach in seinen Erscheinungen sehen würde. Aber dazu später...

Die Ereignisse der Geschichte folgten einem Sturm gleich. Viele menschlichen Leben zerbrachen in diesem Wirbel. Es kam der Erste Weltkrieg. In dieser Zeit begann ein globaler Umbruch von gesellschaftlichen Normen und Strukturen wie im Inneren, so auch außen im russischen Imperium.

Der Weltkrieg auf mehreren Fronten, die Volksrevolution mit Terroranschlägen, Demonstrationen und Komplotts im inneren des Landes erzeugten Chaos und Gewalt in Herzen und Seelen der Menschen, was im Höhepunkt der Oktoberrevolution 1917 eskalierte. Der blutige Oktober überwältigte das Land in einem Bürgerkrieg. Und der Bruder ging den Bruder morden und der Sohn den Vater. Es gab in diesem Krieg keine Gewinner, nur Opfer, auf der einen Seite gab es Getötete und Verstümmelte, auf der anderen – Menschen mit verzerrtem Geist und Verstand.

Timofej war in dieser Welt der Gesetzlosigkeit ein Zeuge, kein Mittäter, Gott hat ihn vor solchen Entscheidungen bewahrt.

Wie es aus der Geschichte bekannt ist, kamen die Kommunisten an die Macht und verkündeten die Union sowjetischer sozialistischer Republiken – Sowjetunion. Sie festigten sich in Ihrer Macht, in dem Sie die Individualität in jedem Menschen zerstörten und stattdessen ein kollektives Bewusstsein förderten. Dadurch zerstörten sie die Persönlichkeit und erschufen aus dem Volk eine Herde.

Timofej begann zu verstehen, dass die regierende Macht den Verstand der Menschen betrübte, in dem sie ihnen "die glückliche und heile Zukunft" versprachen, wenn die Menschen nur hart und lange genug daran arbeiten würden. Er sah, wie das Land sich vor seinen Augen in ein großes Gefängnis verwandelte und die Menschen, in ihrer Angst und Unwissenheit zu Sklaven vom Regime wurden.

Rückblickend muss man dazu sagen, dass Familie Prochorov für zeitgemäße Verhältnisse im Wohlstand lebte. Und ihr erfülltes Leben entstand aus ihrem Fleiß und ihrer Arbeitsfähigkeit.

Timofej erzählte, dass sein Vater immer früh schlafen ging, in der Regel, wenn es dunkel wurde, und um 2-3 Uhr in der Nacht aufwachte und sofort aufgestanden ist. Timofej fragte ihn:

– "Papa, wo willst du hin, es ist mitten in der Nacht?"

– "Wenn ich aufgewacht bin, dann bin ich ausgeschlafen, ich fahre aufs Feld, das Gras zu mähen."

– "Es ist doch dunkel?"

– "Schau, wie hell heute der Mond ist, genug Licht, und du, schlafe noch, ein Kind wächst im Schlaf und vermehrt seine Kraft, Größe und Weisheit."

– "Aber ich mag nicht schlafen, im Schlaf passiert nichts!"

– "Das sagst du aus Unreife deines Alters, in Schlaf passiert sehr viel. Im Schlaf kann der Mensch sich mit Gott und den Engeln treffen und mit ihnen reden. Im Schlaf kann man fliegen und in fremde Länder reisen und unglaubliche Abenteuer erleben. Du kannst dir bekannte Menschen wiedersehen, egal ob sie leben oder schon in der anderen Welt sind. Und jetzt, schlafe, gute Nacht..."

In der Zeit von Timofejs Jugend bestand die kollektive Sklaverei in Form von "Kolchosen" (Kollektive Landwirtschaft). Aber es gab keinen anderen Ausweg, man musste Arbeit suchen. Arbeitslose wurden als Schmarotzer angesehen und wurden im kommunistischen Regime strafrechtlich verfolgt und meistens in die Zwangsarbeitslager geschickt. Die technokratische Entwicklung ließ nicht lange auf sich warten. Die ersten Traktoren verdrängten die Handarbeit. Timofej war sehr aufgeschlossen und war einer der ersten, die im Dorf die Handhabung der neuen Maschinen lernen wollte. Doch er durfte es nicht, da er aus einer wohlhabenden Familie kam und so zu sagen privilegiert war.

Nach diesem Lernverbot arbeitete er in Kohlewerken, er fuhr mit einem Pferdewagen als Kurier mit Kohle durch die Dörfer.

Eine andere Zeit brach an. Eine besondere Zeit für die Sowjetunion und für die ganze Welt – Ende der dreißiger Jahre. Trotz der strengsten Informationskontrolle und der Propaganda breitete sich der Schatten des kommenden Krieges über das Land.

Zu dieser Zeit war Timofej schon verheiratet und hatte zwei Kinder – einen Sohn und eine Tochter.

Im Sommer 1941 zerbrach die faschistische Armee die sowjetische Grenze. Mit diesem Ereignis hat keiner gerechnet, denn Hitler unterzeichnete ein Nicht-Angriffs-Abkommen mit Stalin.

Timofej war damals 47 Jahre alt, wurde als ältester Sohn nicht in die Armee abgerufen, damit im Dorf die Arbeit getan werden konnte. Er hatte einen Pferdewagen mit 2 Pferden und versorgte die Menschen mit Kohle. So ging es bis Winter 1943.

Seine Ehefrau Thekla war mit dem dritten Kind hochschwanger. Im dritten Kriegsjahr erlitt die deutsche Armee immer mehr Niederlagen und war im Rückzug. Lange Schlangen der Militärtransporter zogen Richtung Westen durch das Land.

Genau in dieser Zeit geschah ein Ereignis, das das Leben von Timofej von Grund auf veränderte. Er fuhr weiter als Kurier mit Brennstoff durch die Dörfer, die fast nur aus Frauen, Alten und Kinder bestanden. Die Menschen waren für seine Arbeit dankbar. Eines Tages stoppte ihn eine Truppe von österreichischen Soldaten, die seinen Wagen in Beschlag nahmen, um ihre Waffen zu transportieren. Auf die Fragen, wann er seine Pferde zurück bekäme, gab es keine Antwort. So entschloss er sich zu Fuß Heim zu kehren. In der Nacht hat er das Militärlager verlassen und ging Richtung Rostow. Schon waren am Horizont die Lichter der Stadt zu sehen.

Plötzlich kam eine Lichtsäule vom Himmel herab, und öffnete sich wie eine Feuerwand vor ihm. Aus dem Licht kam Maria Mutter Gottes und sagte:

– "Timofej, kehre um! Du wirst in den Westen gehen und Mir eine Kirche bauen!"

Er fiel vor Ihr auf die Knie und flehte zu Ihr:

– "Mutter, erbarme dich! Meine Frau ist schwanger und ich habe 2 Kinder! Und außerdem weißt du, wir haben Krieg!"

– "Ich war bei dir zu Hause, sie alle sind wohl auf, deine Frau hat einen Sohn geboren und nannte ihn Wladimir. Und du, geh, und tue, was Ich dir aufgetragen habe!"

Er flehte wieder zu Ihr, dass er wenigstens nach Hause kehren könnte, um sich zu verabschieden.

– "Du hast keinen Weg mehr zurück", sagte Sie, "geh und errichte mir eine Kirche! Du wirst sie Friedenskirche von Ost und West nennen."

Schwer gab Timofej nach und fragte nur:

– "Wie soll ich das alleine schaffen?"

– "Ich gebe dir eine Helferin auf dem Weg."

Und Timofej stand vor Gottesmutter im Schnee auf den Knien und weinte.

– "Stehe auf, mein Sohn, ich werde immer mit euch sein auf diesem Weg und werde in Allem helfen!"

Timofej stand auf und ging zum Militärlager zurück und Gottesmutter Maria stand immer da im Licht und begleitete ihn mit Ihrem Blick. Timofej wusste damals noch nicht, dass er seine Frau nie mehr wiedersehen würde.

Sein Weg wurde sehr lang. Zuerst von der kleinen Stadt Schachty bis Rostow, dann weiter über Polen nach Warschau und Krakau. In Polen machte die Truppe, mit der Timofej ging, keine langen Aufenthalte. Im Land wüteten die Kämpfe und die Soldaten machten einen großen Bogen um diese Gebiete. Nun war auf ihrem Weg die Tschechoslowakei. Hier blieben sie lange, für etwa 6 Monate. Dann waren sie 2 Monate in Prag. Die Soldaten und Offiziere lebten sehr freizügig, sie bekamen überall Essen, Tabak, Schnaps, feierten ausgiebig, hatten großen Erfolg und Freude bei den Mädchen.

Die Erzählung von Timofej mag sich sehr von der offiziellen Geschichte unterscheiden. Aber so ist das Leben, es ist kein Lehrbuch, es geht nur selten nach Plan von irgendeiner Führungskraft, die Krieg will, denn der Mensch sehnt sich immer nach dem Frieden.


An dieser Stelle möchte der Verfasser Sie, Liebe Leser fragen: was kann der einzelne, "normale" Mensch gegen den Krieg ausrichten? Wenn die Politik sagt, dass man im Kampf um den Frieden einen Krieg braucht?

Aber stellen Sie sich nur vor: jeder Mensch wird seinem Herzen folgen. Im Kampf um die Völker und Territorien, im Kampf um Reichtümer, im Familienkampf, im Konkurrenzkampf... würde keiner kämpfen kommen?

Die Entscheidung liegt bei jedem einzelnen von uns, jeden Tag.

Und auf dem Weg hat Timofel immer nach der versprochenen Helferin Ausschau gehalten. Wen würde Gottesmutter ihm zu Hilfe schicken?

Nach Monaten kamen sie nach Österreich. In Wien waren sie 1944. Offiziere und Soldaten kamen nach Hause. Und Apostel Timofej blieb allein mit seinem Wagen und 2 Pferden. ("Apostel" kommt aus dem Griechischen und heißt "Gesandter"). Auf dem Bahnhof von Wien ging er Wasser für den Tee holen. Als er wieder kam, war der Pferdewagen weg. So blieb er im fremden Land, ohne Geld, ohne Papiere.

Ein Russe namens Glaskow warb Flüchtlinge als Zeitarbeiter und hat Timofej vorgeschlagen, nach Tirol zu fahren. Er lehnte ab. Sein zweites Angebot nach Neustadt zu fahren, nahm er an. Sie kamen nach Neustadt, aber von der Stadt ist nur der Name geblieben, alles war komplett zerstört. Die Menschen lebten und arbeiteten in Ruinen. Timofej erfuhr, dass aus Neukirchen, in 7 Kilometer von Neustadt noch Züge Richtung Italien und die Schweiz fuhren. Er ging zu Fuß dorthin. Neukirchen wurde auch bombardiert, aber nicht so stark, wie Neustadt, es gab noch Häuser, in denen man leben konnte.

Timofej hat dort sofort Arbeit gefunden, er backte und fuhr Brot in die Krankenhäuser. Im Herbst 1944 hat er sich entschieden als Zeitarbeiter nach Italien zu fahren. Auf dem Bahnhof, kurz vor seiner Abfahrt traf Timofej eine Russin namens Natascha.

Als sie erfuhr, dass er Russe war, fing sie zu weinen an. Sie hat ihren Mann in Krakau verloren und war jetzt auf der Suche nach ihm.

Sie, Natascha, war die Helferin, die die Gottesmutter ihm zu schicken versprochen hatte. Sie fuhren zu zweit nach Italien, Natascha arbeitete in der Küche und Timofej am Friedhof. Allerdings gab es wie ein Wunder keine Tote mehr zu beerdigen. Mai 1945 war für die ganze Welt ein Monat der großen Freude.

Über die Alpen gingen sie zu Fuß zurück nach Österreich. In einem ehemaligen Militärlager fanden sie eine noch funktionierende Küche. Timofej heizte die Öfen auf und sie backten Brot und kochten Tee – ein Segen!

Die Nachricht über eine neue Bäckerei erreichte schnell die Bewohner. Timofei und Natascha hatten großen Erfolg mit ihrem Brot, die Menschen standen Schlange, so hatten sie in kürzester Zeit 10 Personen Personal zur Hilfe. Sie arbeiteten eineinhalb Jahre in dieser Küche. Dann wurden sie nach Graz geschickt. In Graz stellte ein Bauer, bei dem sie arbeiteten, ihnen eine Baracke zur Verfügung. Eine Hälfte benutzten sie zum Wohnen und in der anderen Hälfte haben sie eine Art Kirche eingerichtet. Sie konnten endlich die Gemütlichkeit eines Heims für sich schaffen und hofften, dass die errichtete Kirche, die Kirche war, die die Gottesmutter Timofej zu bauen aufgetragen hatte.

1950 riss der Bauer die Baracke mit der Kirche ab...

Timofej fühlte, etwas stimmte nicht, es war noch nicht die richtige Zeit oder nicht der richtige Ort. Er fing an zu fasten, aß und trank nichts, damit die Gottesmutter ihm die Antworten auf seine Fragen offenbart. Schließlich bekam er eine Vision, Maria sagte zu ihm:

– "Der Ort für meine Kirche ist in München, fahre mit Natascha dorthin, dort werde ich euch die genaue Stelle zeigen."

So haben sie wieder alles zurückgelassen und gingen nach München. Auf dem Weg haben sie einen russisch-orthodoxen Mönch, Vater Pantelejmon, kennen gelernt und waren seitdem ihr Leben lang Freunde.

Natascha hat erfahren, dass ihr Ehemann Jakob im Flüchtlingslager in Ingolstadt lebte, so fuhren sie, zu dritt zu ihm. Allerdings wollte Jakob nach 3 Wochen die ungeladenen Gäste los werden, er zeigte sie an, damit sie in die Sowjetunion deportiert werden. Als Natascha das erfuhr, ging sie mit Timofej und Pantelejmon fort.

Alle drei wurden kurz danach festgenommen und zur tschechischen Grenze gebracht. An der Grenze kam ein katholischer Priester auf sie zu und fragte, warum sie denn unbedingt nach Russland fahren wollten und ob sie wüssten, dass ihr Zug sie als Volksverräter direkt in sibirische Arbeitslager bringen würde. Er zeigte ihnen den Zug nach Deutschland, in dem sie sich in der Nacht versteckt haben.

Allerdings war der Weg nach München lang, kein Flüchtlingslager nahm sie an, sie wurden über Salzburg und Wien von einem Lager zum nächsten geschickt, bis sie schließlich 1952 endgültig nach München kamen.

Angekommen, haben sie auf dem Müll ein Paar Matratzen gefunden und haben unter der Isarbrücke geschlafen.

Als Timofej bei der Polizei nach Papieren fragte, hat man ihn verhaftet. Jemand hat Timofej wegen unbefugten Übergangs der Staatsgrenze angezeigt.

Als er mehrere Tage im Gefängnis saß, fastete er, verweigerte Essen und Trinken. Der Gefängnisarzt fragte ihn, warum er denn streike, er sagte, dass er, wenn er fastet und betet, nichts zu sich nehmen würde.

Am 14. Fastentag kam Gottesmutter Maria zu ihm und sagte:

– "Der genaue Ort für meine Kirche ist am Oberwiesenfeld. Dort findest du ein Häuschen von einem Russen namens Ivan, von da zähle 50 Schritte nach Osten. Dort baue mit Natascha die Ost-West-Friedenskirche. Und jetzt steh auf und bitte um Essen und Trinken, morgen wirst du entlassen."

Und in der Tat wurde er am nächsten Morgen entlassen. Natascha wartete 2 Wochen auf ihn, er erzählter ihr von seiner Erscheinung und so fanden sie den Ort, wie Maria ihm gesagt hatte. Das Gelände war ganz verlassen, nur Unkraut und Brennnessel überall. Sie fanden Arbeit am Friedhof, arbeiteten 6 Stunden pro Tag, die restliche Zeit bauten sie das Kirchlein und ein Häuschen zum Wohnen. Sie legten das Fundament für die Kirche, sammelten Holz und Karton in den Schuttbergen für ihre Bleibe.

Als die Polizei kam, fragte man sie:

– "Was baust du hier, Timofej?"

– "Ich werde hier eine Kirche errichten. Hier habe ich schon mit einem Kreuz die Stelle markiert."

– "Sie wird doch vom ersten starken Windstoß weggefegt!"

– "Und wer herrscht über dem Wind?"

– "Wer schon, Gott?"

– "So baue ich doch für Gott! Wird er seine Schöpfung zerstören?"

Der Polizist überlegte kurz und sagte:

– "Es gibt doch die Wahrheit! Komme morgen zu mir, ich werde dir einen Meldezettel ausstellen, du wirst hier rechtmäßig angemeldet sein."

Und wirklich haben sie die notwendigen Papiere erhalten. Sie haben viel Mühe und Arbeit in den Bau gesteckt. Das Baumaterial sammelten sie aus den Schuttbergen. Und die Prüfungen und Schwierigkeiten wollten nicht enden. Timofej wurde mehrmals für eigenwilliges Bauen verhaftet, saß im Gefängnis, wurde entlassen und wieder verhaftet...

So waren sie einmal schon fast mit dem Dach fertig, da kam die Polizei. Timofej sagte:

– "Ich akzeptiere deutsche Gesetze! Aber für mich sind an erster Stelle Gottesgesetze und an zweiter die Gesetzte der Menschen. Gottesmutter gab mit diesen Auftrag, so kann ich nicht anders! Und wurde wieder verhaftet."

Später sagte Timofej, er habe nichts gegen diese Verhaftungen einzuwenden. Die Polizisten seien unfreie Menschen, sie befolgen Befehle und müssen sie ausführen, auch, wenn es gegen ihr Gewissen ist. Aber Gottesgesetze stehen manchmal im Widerspruch zu menschlichen Gesetzen. Aber alles kommt zu seiner Zeit und Gott wird richten, wer Recht hat und die Unwissenden wird er lehren.

Aus schwerer Arbeit und mangelhaften Lebensverhältnissen fastete Timofej erneut. Er betete zu Gott um Hilfe und Aufklärung.

Am 21. Tag des Fastens saß er im Garten auf einer Bank, schaute hoch und sah Jesus, der zu ihm sagte:

– "Höre auf zu fasten, deine Gebete wurden erhört. Jeder deiner 21 Fastentage zählt einem Jahrhundert gleich."

Timofej fragte:

– "Herr, nach welchem Kalender, Gregorianischem oder Julianischem möchtest du, dass die Menschen dich ehren?"

– "Beide sind nutzlos! 1. Mai soll 1. Kalendertag werden."

– "Sag mir, Herr, auf wen soll ich hoffen, wer schützt mich und Natascha beim Tragen dieser Bürde?"

Am Himmel erscheint ein Reiter in Militäruniform, sein Name war Der Heilige Fürst Alexander Newski (1240: Die von Alexander Newski angeführten russischen Truppen besiegen in der Schlacht an Fluss Newa eine schwedische Armee unter Birger Jar, die als "Kreuzritter" den christlich-orthodoxen Glauben in Russland bekämpfen wollten.)

Nachdem die Kirche fertiggestellt wurde, hat Timofej sie einigen Pfarrern zum Gottesdienst angeboten. Aber keine Kirche wollte sie anerkennen, die Katholiken fanden die orthodoxen Elemente, und die russisch-orthodoxen Pfarrer – die katholischen in ihrer Bauform.

Timofej erklärte ihnen:

– "Gottesmutter Maria sagte mir nicht, ich solle noch eine orthodoxe oder katholische Kirche bauen. Christliche Kirche sollte es sein, eine Kirche zur Vereinigung. Und deswegen gab mir unser Herr Jesus Christus den neuen vereinten Kalender vom 1. Mai an. Diese Teilung im christlichen Glauben führt zu nichts Gutem! Denn es steht in der Bibel geschrieben: "Jedes Reich, das mit sich selbst uneins ist, wird verwüstet; und jede Stadt oder jedes Haus, das mit sich selbst uneins ist, kann nicht bestehen" (Matthäus 12,Vers 25). Und es wurde prophezeit: "Und kommt die Zeit, da werden die Menschen Ostern im Sommer feiern". Und dass Ostern im Sommer sei, beweist die Vision über die neue Zeitrechnung und über den neuen Kalender."

Aber keiner der Priester und Pfarrer hörte auf die Worte, die Gott durch Timofej sprach. Danach hat Timofej eine Priesterschule besucht und hat das Recht bekommen, ein Priestergewand und ein Kreuz zu tragen und eine Liturgie zu halten. Allerdings wenn Kirchenbesucher ihn darum baten, sie zu taufen oder zu trauen, schickte er sie in die orthodoxe oder katholische Kirche.

2 Jahre nach der Fertigstellung der Kirche geschah das nächste Wunder. An einem Herbstmorgen kam Timofej aus dem Haus und sah, dass wie durch ein Wunder alles um die Kirche herum im Nebel versunken war und bis zum Horizont Millionen von Menschen versammelt waren. Sie standen um ein Hügel herum, über dem Hügel auf einer Wolke stand Erzengel Michael. Er redete zu den Menschen in einer Timofej unbekannten Sprache, der allweltlichen göttlichen Sprache, in der noch vor der Babylon-Zeit gesprochen wurde. Timofej ging schnell ins Haus, um Natascha zu holen, sie saß nachdenklich auf dem Bett und sagte zu ihm, dass der Herr ihr im Traum erschienen ist und ihr versprach, Erzengel Michael zu ihnen zu schicken. Schnell angezogen, kam sie mit Timofej aus dem Haus. Erzengel Michael und die Menschen waren noch immer da. Erzengel Michael sah genau wie auf den Ikonen aus, im langen Gewand mit 6 Flügeln.

Als er seine Rede zu den Menschen beendete, fragte Natascha:

– "Wird es noch einen Krieg geben?"

– "Ja, schaue auf deinen Körper, in diesem Krieg werden nur so viele Menschen bestehen wie ein Teil deines kleinen Fingers auf einer Hand im Vergleich zum ganzen Körper. Diesen Krieg leben die Menschen jeden Tag, im Kampf der Dualität zwischen Gut und Böse."

Nach seinen Worten kam ein dichter Nebel über das Feld und als er sich auflöste, waren Erzengel Michael und die Menschenmengen verschwunden. Noch am selben Tag haben Timofej und Natascha mit dem Bau der kleinen Kapelle begonnen.

Jemand hat sie dafür wieder angezeigt, es kam die Polizei:

– "Wo ist ihre Baugenehmigung?"

– "Was machen Sie, wenn ich nicht aufhöre zu bauen?"

– "Sie werden verhaftet."

Timofej streckte seine Hände für die Handschellen aus. Der Polizist schimpfte nur und ging mit der ganzen Baukommission weg. Nur ein Jurist sagte leise, bauen Sie schneller, wenn es fertig ist, haben Sie eine Chance.

Und so nahm das Leben wieder seinen Lauf. Die Kirche und Kapelle blieben erhalten. Immer mehr Menschen hörten von 2 besonderen, seltsamen Menschen und ihrer Kirche, die von Mutter Gottes selbst aufgetragen wurde.

Eines Tages kam eine weitere Kommission:

– "Herr Prochorow, wir planen den Bau des Olympischen Dorfes für die Olympischen Spiele 1972. Und es ist so, dass an Stelle Ihrer Anlage ein Stadion für den Pferdesport geplant ist. Alles wird abgerissen und sie bekommen eine Wohnung von der Stadt..."

Ohne ein Wort zu sagen, ging Timofej in die Kirche und betete. Als er wieder kam, sagte er:

– "Wenn Mutter Gottes Ihnen erlaubt, alles abzureißen, dann tun Sie es. Wenn nicht, werden Sie es nicht machen können."

Der Architekt, Günter Behnisch überlegte, betrachtete die Bauten und sagte, er wäre einverstanden, den Bauplan etwas zu ändern. Die Kommission diskutierte heftigst, viele waren dagegen. Den Streit um das Schicksal der Kirche beobachtete die Presse. Am Ende waren es die Münchner, die diesen Kampf entschieden. Vielen, die vielleicht diese Stelle lesen, verdanken wir, dass die Stadtverwaltung diesen Streit zu Gunsten der Erhaltung der Kirche wendete. Vielen herzlichen Dank!

Es kamen die Olympischen Spiele. Es war so, als ob die ganze Welt nach München gekommen wäre. Tausende von Menschen kamen jeden Tag, um die Kirche zu sehen. Die Menschen standen Schlange, um überhaupt reinzukommen. Und die Menschenmenge wurde nicht weniger. Menschen suchten Rat, baten Timofej um Heilung, Hilfe, Gebet und er betete jeden Tag in seiner Liturgie um diese Menschen. Irgendwann flehte er zu Gott:

– "Herr, was kann ich mit dieser Menge tun, es ist eine zu schwere Bürde!"

Und wieder erhörte der Herr seine Gebete und sagte:

– "Wenn Ost-West-Kirche bestehen bleibt, dann verlängere ich dies Zeitalter und füllen sich die Flüsse (des Lebens) mit Milch und Honig."

Timofej erklärte später:

– "Ich und Natascha haben nur eine symbolische Kirche gebaut, sozusagen ein Meilenstein auf dem Weg zur tatsächlichen Vereinigung im christlichen Bewusstsein. Der wahre Glaube ist nicht im Stein der Mauern, sondern im Herzen eines jeden Menschen. Die Menschen müssen in sich "eine Kirche bauen"- im Herzen sich mit dem Schöpfer vereinen. "Dass alle eins seien, wie Du, Vater in mir und ich in Dir, so sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaubt, dass Du mich gesandt hast" (Johannes 17,21). Die Zeit der Dualität, des Kampfes zwischen Gut und Böse ist vorüber! Und die Entscheidung trifft jeder Mensch für sich allein! Und "die Flüsse, gefüllt mit Milch und Honig" ist ein Symbol dafür, dass die Menschheit dann in ein Zeitalter geführt wird, das in der Bibel als das Goldene Zeitalter genannt ist, die Zeit ohne Krankheit und ohne Krieg."

Eines Tages gab es einen starken Sturm in München, die Bäume und Dächer wurden weggerissen. Die Kirche wurde nicht beschädigt, nur ein Kreuz fiel vom Dach der Kirche. Natascha sagte:

– "Dies ist ein Zeichen für mich, ich werde bald gehen. Und so kam es auch, nach einigen Monaten wurde sie schwer krank und starb. Sie ging am 13. März 1977 im Alter von 80 Jahren."

Danach kam für Timofej eine schwere Zeit. Es war so, als ob er das Interesse für das Leben verlor. Nur seine Aufgabe als Gottesdiener, die tägliche Liturgie und die Besucher hielten ihn am Leben.

Nach einem Jahr wurde Pauline Gerner zu seiner Pflegerin. Sie besuchte Timofej und Natascha auch früher. Sie kam auch aus der Sowjetunion, zur Zeit des Zweiten Weltkrieges wurde sie nach Deutschland zwangsgeschickt, entkam den Faschisten, aber kehrte nicht mehr in die Sowjetunion zurück. Viele der Zurückgekehrten endeten in Zwangsarbeitslagern als "Volksverräter".

Frau Gerner ist eine Frau mit großer Charakterstärke. Sie stützte Timofej in seiner schweren Zeit, pflegte ihn, versorgte den Haushalt. Dank ihr bekam er eine Krankenversicherung, ärztliche Versorgung, Rente, ein Bankkonto.

Es gab unter den Besuchern leider auch solche Menschen, die Timofej bestohlen haben, es gab auch genug Feinde, die die Kirche mit allen Mitteln übernehmen wollten. Sie alle verjagte Frau Gerner.

Sie ordnete wieder sein Leben, dank ihr war er wie neugeboren, sie war ihm eine Freundin und Stütze bis zu seinem Tod.

Sie organisierte mit ihm Reisen nach Karwendel, Davos, Italien, Griechenland. Zweimal waren sie in Russland bei seinen Kindern und seiner Verwandtschaft. Alle Kinder besuchten ihn in München mehrmals.

Im Winter fuhren sie gewöhnlich in die Schweiz nach Davos und liefen dort jeden Tag Langlaufski. Das letzte Mal war es im Jahr 2000, Timofej war damals 106 Jahre. Jeder Geburtstag von Timofej wurde groß gefeiert. Die Freunde kamen, oft kam Oberbürgermeister Christian Ude mit seiner Frau. Herr Ude hat Timofej immer unterstützt und geholfen und auch nach dem Tod von Timofej, steht die Kirche unter seinem Schutz. Herr Ude erzählte bei jedem Geburtstag, wie er als kleiner Junge mit seinen Freunden bei Timofej die Äpfel aus dem Garten gepflückt haben. Und diese Äpfel waren für ihn die süßesten.

Und zu jedem Geburtstag hat Timofej von Christian Ude eine Glückwunschkarte vom Bundespräsidenten bekommen.

In solchen Tagen war Timofejs Haus voller Freude und voller Menschen. Die Presse und das Fernsehen kamen. Es war zur Tradition geworden, ein kurzes Interview beim ältesten Mann Deutschlands zu bekommen.

In den Gästebüchern, die seit 1963 im Museum ausliegen, findet man Eintragungen in vielen Sprachen, sie sind voller Liebe, Freude, Frieden und Harmonie, die die Menschen in diesem Ort finden. In beinah allen Sprachen sind die Worte des Dankes für die Heldentat der Liebe, Erhaltung des Glaubens und der Hoffnung.

– "Eine Oase des Himmlischen Friedens auf Erden. Hier wird der Körper und die Seele wie neugeboren. Der Friede überkommt einen. Die Triebe und Begierden, die den Menschen in Versuchung führen, werden besänftigt." – schreibt ein Besucher aus Russland.

– "Erst hier fühlen wir, dass es für alle einen Gott gibt" – schreiben Touristen aus Irland.

– "Ich danke dir, Herr, dass du mich hierher geführt hast, um zu SEHEN"

Die Jahre vergingen, die Zeit hatte ihre Macht auch über den Körper von Timofej. Auf die Frage, wie alt er sich fühle, sagte er:

– "Das ist verwunderlich, wie 20 ungefähr"

Und dann, auf seinen Körper schauend:

– "Ja, mein "Mantel" hat sich ganz schön abgenutzt."

Nach 2002 wurde er körperlich immer schwächer. Seine Lebensverhältnisse erlaubten es nicht, ihn rund um die Uhr zu pflegen, wie er es nötig gehabt hätte. Es gab nie fließendes Wasser, Toilette im Garten, schlecht beheizbares Haus. Hier kam wieder Herr Bürgermeister zur Hilfe und hat für Timofej ein Einzelzimmer im Altenheim am Don-Pedro-Platz mit medizinischer Versorgung organisiert. Dort war Timofej bis zu seinem Tod. Jeden Tag kamen Freunde zu Besuch. Pauline Gerner war bei ihm die ganzen Tage über.

Väterchen Timofej ging in der Nacht zum 14. Juli 2004 im Alter von 110 Jahren. Sein Körper wurde am Westfriedhof, Block 196 begraben. Zur Beerdigung kamen Hunderte von Menschen.

Väterchen Timofej und Natascha haben im Glauben, Hoffnung und Liebe ihr Kreuz bis zum Ende getragen.

"Wer aber beharrt bis an das Ende, der wird selig" (Markus 13,13).

Ruht im Frieden und DANKE...